"Ich kenne Fussball, ich weiß wie das geht."

Es wird ja dieser Tage allerhand geschimpft auf dem europäischen Fußball-Parkett, wahrscheinlich nicht ganz zu Unrecht. In der sogenannten Königsklasse munkelte man was von Verschwörung, die UEFA habe möglicherweise per Schiedsrichterentscheid die britische Fußball-Dominanz zu unterbinden versucht. Und auch im Halbfinale des UEFA-Pokals zwischen Werder Bremen und dem HSV gab es durchaus strittige Entscheidungen zu beobachten, wie die zumindest diskussionswürdigen Strafraumszenen um Olic und Rost. Nun bin ich von Haus aus Sympathisant der grün-weißen, mich könnte die ganze Chose also verhältnismäßig kalt lassen. Jedoch verspüre ich tief in meinem Innersten da doch irgendwie einen gewissen Unmut. Woran das wohl liegen mag?
Ein Grund könnte sein, dass sich Sat.1 (wie immer powerd by emotion) nicht hat lumpen lassen und allen journalistischen Sachverstand aufbot, um die relevanten Aspekte des Abends nochmal aufzuarbeiten. Man kann natürlich grundsätzlich darüber streiten, welchen Wert die Analyse von strittigen Szenen im Nachhinein überhaupt hat. Mir persönlich (und bestimmt auch jeden HSV-Fan *g*) hätte die Erörterung der Sachthemen auf jeden Fall mehr gegeben, als das, was sich tatsächlich auf dem Bildschirm abspielte. Die geballte Fachkompetenz, in persona Oli Welke und Adjutanten, fokussierten sich nach Spielende nämlich lieber auf die spannende (!) Frage, ob der Diego-Transfer nun endlich unter Dach und Fach sei. Puh. Man muss kein Prophet sein um zu antizipieren, dass eine Antwort von Thomas Schaaf auf die Frage nach den besten Tortenrezepten seiner Mutter inhaltlich weitaus bereichernder gewesen wäre. Naja, Oli Welke kommt ja ursprünglich auch aus der humoristischen Sparte...
Was mein emotionales Involvement aber vermutlich noch stärker treibt, ist die Sympathie zu HSV-Coach Martin Jol. Oder vielmehr zu Holländern im deutschen Fußball, ach was, im deutschen Fernsehen. Rudi Carrell, Mareijke Amado, Linda de Mol, Harry Wijnvoord, die Liste ließe sich endlos fortführen - allesamt Sympathieträger allererster Couleur. Von Jopi Heesters trau ich mich ja gar nicht anzufangen. Und im Fußball genau das gleiche: Huub "Huub" Stevens, besagter Martin Jol, der "Knipser" Harry Decheiver, Erik Meijer und, und, und. Selbst das Raubein Mark van Bommel wird von der Journaille stets als überaus umgänglicher charakterisiert. Hape Kerkeling hat in einer Rudi Carrell-Parodie mal die Ursache für dieses Phänomen sizziert: "Rudi was weiß ich denn, denk an Tulpenfelder, denk an Amsterdam, sei flapsiger". Flapsiger. Treffender kann man das Mysterium "Holländer" wohl kaum auf den Punkt bringen. Die "Flapsigkeit" oder auch "Flapsigness" nimmt dabei nicht zuletzt in den sprachlichen Verfehlungen unserer Nachbarn Gestallt an. Dazu Kerkeling: "Rudi, je mehr Versprecher du einbaust, je sympathischer wirst du den Leuten". Da ist die Rede von der vertraglichen Verpflichtung, pro Sendung sieben grammatikalische Fehler, fünf Sinnverfälschungen und acht absolut unverständliche Worte einzuarbeiten. Darüber hinaus muss das Wort "toll" mindestens zwei Mal pro Minute verwendet werden, denn auf diesem Wege seien 1,5 % auf der Sympathieskala gut zu machen. Pro Sendung. Wenn man das jetzt mal auf Interviews und Pressekonferenzen runterbricht...
Um das mal exemplarisch darzustellen an dieser Stelle mal Auszüge von lediglich zwei Vertretern ihrer Zunft:
Beispiel Jol:
Maountach (Montag); is daas saou?; ich hab es halt mich einfallen lasse; die Stimmung in die Mannschaft is eigentlich immer gut; was denken sie davon?
Noch besser: Kollege van Marwijk:
eine der große Liga ine Europa; eine Verein, der bei mir passt; mit die Fans; in die letzte Jahre; man lauft aus (vermutlich: ist ausgelaugt...);
und schließlich van Marwijk in Bestform:
"es gibt ein Tag frei in drei Wochen, und dann wieder zwei Tage Tränung (Training) und dann wieder ein Spiel, und dann eigentlich wieder Tränung, Spiel, Tränung und das drei Woche hintereinander und ein Tag frei, dann sag ich...toll."
Es lebe der Sport.
harmsnar - 8. Mai, 15:28